Vier Tage London im August

London im August 2019 – kurz vor dem drohenden Brexit

Dienstag, 20.08. 2019  Batzenhäusle  - London Luton Airport – Mill Hill-Barnet

Unser Flieger soll um 14 Uhr 25 ab Euro-Airport Basel Mulhouse starten. Das bedeutet, dass wir mit dem Bähnle in Batzenhäusle starten, um den Airportbus in Freiburg um 11 Uhr zu erwischen. Programmgemäß und enstpannt checken wir in Basel ein. Mittlerweile gießt es in Strömen, was den Abschiedsschmerz deutlich reduziert. Da der Flieger etwas verspätet in Basel eintrifft, startet er auch mit kleiner Verspätung, was uns nicht weiter nervt, da wir in London auch keine wichtigen Anschlüsse verpassen. In Luton, etwa 50 km nördlicher der Londoner City, empfängt uns schönes Wetter. Ein gutes Omen! Der Shuttlebus zur Bahnstation Luton Airport Parkway und die Weiterfahrt von dort mit der Thamselink bis Mill Hill Broadway funktionierte ohne Probleme. Nur wunderten wir uns über die deftigen Preise (gerade mal 5 Stationen für 11 £). Aber das war nur das Präludium. In Mill Hill Broadway holte uns die Gastgeberin Anne beim Bahnhof ab und wir liefen durch Mill Hill, das zu dem Stadtteil Barnet gehört, bei angenehm warmen Temperaturen. Katrin war ganz entzückt von den kleinen „gemütlichen“ britischen Backstein-Häuschen mit ihren Erkern und kleinen Gärtchen. Unsere Gastgeber wohnen in so einem typischen kleinen britischen Reihenhäuschen mit 2 Stockwerken, klein und gemütlich. Schön, dass wir hier unterkommen.

 

Den Abend verbringen wir mit näherem Kennenlernen, schließlich kennen wir Anne zwar seit 2005, aber nur über SMS. Da gibt es viel zu erzählen und wir lernen später auch ihren Partner Mikko kennen. Mit interessanten Gesprächen und dem Planen der nächsten Tage verfliegt der Abend rasch.

 

Mittwoch, 21.08. 2019  London (Stadtrundfahrt, westlicher Teil der Innenstadt)

Heute müssen Anne und Mikko arbeiten, wir nehmen London allein „auf die Hörner“. Da wir eingeplant haben, dass wir Mittwoch und Donnerstag allein unterwegs sind, haben wir vorsorglich den „London Pass“ schon im Internet gekauft und mir aufs Handy schicken lassen. Wir haben uns auch ein konzises, aber repräsentatives Programm vorgenommen, das die interessantesten Highlights umfasst, denn Katrin besucht London zum ersten Mal. Ich habe London vor 56 Jahren, 1963 besucht und wohnte während meines sechswöchigen Aufenthaltes mit Schulbesuch und bei einer Londoner Familie im Vorort Streatham. Ich bin gespannt, ob ich die Stadt noch wiedererkenne.

 

Aber zunächst müssen wir wieder mit der Thameslink 5 Stationen bis London St. Pancras Station fahren. Dort im Touristenbüro erstehen wir rasch je eine „Oyster-Card“, die berechtigt, alle öffentlichen Londoner Verkehrsmittel zu nutzen mit Tageshöchstkosten von 12 £, um die teuren Einzeltickets zu meiden. Die Karte lässt sich an den Automaten auch beliebig aufladen. Nun sind wir bestens gerüstet. Natürlich muss Katrin in der gegenüber liegenden King’s Cross Station den Bahnsteig 9 ¾ suchen, den nur eingeweihte Harry Potter Fans kennen. Offenbar sind das viele. Denn den Ort belagert eine lange Schlange Touristen aus aller Welt, die sich dort fotografieren lassen wollen. Natürlich lockt nebenan auch ein Harry Potter „Devotionalien“-Shop die Massen an. Um für die Enkelkinder ein Mitbringsel zu ergattern, zwängt sich Katrin auch durch das Gedränge.

 

Ein bisschen weniger voll sind gottseidank die Hop on-Hop off Sightseeing Busse, so dass wir bei dem herrlichen Wetter auf der oberen Plattform uns genüsslich durch London gondeln lassen, für Katrin zur ersten Orientierung ein fantastisches Angebot, das sich die Londoner mit 36 £ pro Person auch gut bezahlen lassen. Wie gut, dass diese Attraktion mit dem „London Pass“ abgedeckt ist. Die Tour führte uns von King‘s Cross durch das Holborn, Soho, am Trafalgar Square entlang, durch Strand und Fleetstr., an St. Paul’s vorbei. Am Tower steuerte der Bus nach Süden, über die Tower Bridge natürlich  in die Southbank, an den futuristischen Glaspalästen vorbei, unter dem steil aufragenden höchsten Gebäude Londons, das die Londoner wegen seiner eigenwilligen Form „The Shard“ nennen, an Waterloo Station vorbei und dem Lambeth Palace, um über die Lambeth Bridge die Themse westwärts nach Westminster zu überqueren. Dort steigen wir aus, um uns erst einmal in einem Pub von den mannigfaltigen Eindrücken zu erholen. Die britischen Pubs finden Katrins volles Entzücken, nicht nur wegen der besonderen Atmosphäre, die das dunkle Holz und die Täfelung verbreiten, sondern auch wegen der eindrucksvollen Auswahl an Bieren. Dass hier auch kleine schmackhafte Häppchen angeboten werden, vergrößert unsere Sympathie.

 

Von hier ist es auch nicht mehr weit zu der ersten großen Attraktivität „Westminster Abbey“.  Aber schon der Weg durch die College Street und den Dean’s Yard versetzt uns in die Viktorianischen Zeit und lässt uns ein typisches Stück historisches London erleben. Wie zu erwarten, staut sich vor dem Eingang von Westminster Abbey eine beträchtliche Schlange. Wenn nicht in London, wo könnte man sonst so konsequent „Queuing“ (Schlange stehen) lernen? Wenn wir nicht den London Pass hätten, würden wir hier auch um 23 £ p.P. erleichtert. Aber nicht nur das vieltönende Murmeln im Gewühl, sondern die unzähligen Gräber und Denkmäler, immerhin ist Westminster die wichtigste Grablege der englischen Könige und das Pantheon der Wissenschaften, Literatur und schönen Künste, ermüden schnell Glieder und Sinne. Nicht unwesentlich tragen die Bedienung und das Abhören des interaktiven Audio-Guides zu dem Kräfteraubbau bei. Deshalb begnügen wir uns damit, nur wenige bedeutende Grabmäler, wie das von Königin Elizabeth I und Maria Stuart und natürlich Isaac Newtons, aufzusuchen. Und am Poet’s Corner entdecken wir mit Freude die Gräber von Shakespeare, Händel, Oscar Wilde und der Brontë Schwestern. Es gäbe noch mehr zu entdecken, aber unsere Kapazität ist nahezu erschöpft. Gleichwohl, die mächtige Kirche hinterlässt durch die großartige englische Gotik und die vielen Denkmäler einen überwältigenden Eindruck.

 

Leider sind die eindrucksvollen Fassaden der Houses of Parliament und „Big Ben“ mit Bauplanen verhüllt, so dass es mir nicht gelingt, Katrin allein schon durch die schiere Größe und üppige Dekoration dieser Gebäude die Machtverteilung im britischen politischen System sinnfällig zu machen. Leider ist auch der Zugang zur Downing Street 10 von Whitehall aus verrammelt und mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten geschützt. So kann sie im Vergleich zu der imposanten Größe der Parlamentsgebäude das bescheidene Quartier des englischen Regierungschefs gar nicht in Augenschein nehmen. Schade. Ich bin 1963 vor Downing Street 10 dem damaligen Premier Harold Macmillan begegnet und hätte ihm die Hand geben können. Vor Whitehall demonstrieren auch heute viele Brexit-Gegner. Man kann es kaum fassen, dass der neue Premier Boris Johnson England mit aller Gewalt aus der EU treiben will, auch wenn er einen No-Deal-Brexit riskiert.

 

Zu meiner großen Freude, entdecke ich auf der gegenüberliegenden Seite meinen Lieblings Pub vor 56 Jahren, den „Clearance“. Warum nicht ein kleines kräftesammelndes Päuschen einlegen, bevor wir uns zum eigentlichen Herzen Londons, dem Trafalgar Square, begeben. Von dort fahren wir mit einem der traditionellen Doppeldeckerbusse, die sich nur unwesentlich modernisiert haben, zum Piccadilly Circus. Hier brummt der Bär und Vergleiche zum New Yorker Time Square drängen sich auf – nicht nur wegen der Häuserfassaden bedeckenden Leuchtreklamen. Zweifellos ist der Piccadilly Circus kleiner und trotz des Trubels intimer. Das macht nicht nur die imponierende Amorstatue, die den Platz dominiert. Und nun lernt Katrin auch die berühmte Londoner U-Bahn kennen. Mit der Piccadilly Line fahren wir 3 Stationen bis Knightsbridge. Denn sie will unbedingt einen Blick in das berühmte Kaufhaus „Harrods“ werfen und, wenn möglich, sich mit dem Kauf eines Lippenstiftes eine schöne Erinnerung an diese Stadt schaffen, so wie sie es 2003 im Pariser Kaufhaus Lafayette getan hat. Das gelingt ihr tatsächlich zu einem vergleichsweise moderaten Preis. Sie ist erstaunt, dass allein das Erdgeschoss nur Kosmetika anbietet, und jede Marke hat ihr „eigenes“ Geschäftsabteil. Aber noch weiter in den Stockwerken dieses Edelschuppens zu stöbern, verleiden mir die astronomischen Preise und ein offenkundig snobistisches Publikum. Ich muss gestehen, dass mich auch die vielen voll verschleierten Frauen, die mit ihren Töchtern artig hinter ihrem Gatten und Sohn in gebotenem Abstand trippeln, nicht besonders erheitern. Sind sie doch nicht gerade ein Zeichen einer gleichberechtigten Geschlechterbeziehung. 

 

Anne hatte uns inzwischen per WhatsApp mitgeteilt, dass wir uns ganz in der Nähe ihres Arbeitsplatzes befänden und sie abholen könnten. Bei der Gelegenheit lernen wir auch noch den Stadtteil South Kensington mit den berühmten Wissenschaftsmuseen kennen. Zusammen fahren wir mit der Circle Line von South Kensington bis Euston Station. Nun ist es zu Fuß nicht mehr allzu weit zur Chalton Street, die sich in den Londoner Tagen zu unserem Fressgässle mausern wird. Heute Abend essen wir auf Empfehlung von Mikko, der schon vor dem Restaurant My Sushi auf uns wartet, japanisch. Und wir sollten es nicht bereuen. Die Chalton Street hat auch noch den Vorteil, dass sie nur durch ein paar Gehminuten von St. Pancras getrennt ist, wo der Zug für den Heimweg schon wartet.

 

 

Donnerstag, 22.08. 2019  London (Schifffahrt auf der Themse, Tower, Monument, St. Paul’s, Tower Bridge, the Shard)

Für unseren zweiten Tag in London haben wir uns viel vorgenommen, wollen wir doch unseren London Pass noch kräftig nutzen. Es versteht sich, dass wir erst nach St. Pancras fahren müssen, um richtig loslegen zu können. Von dort bringt uns die schon vertraute Piccadilly Line bis Green Park, wo wir für eine Station in die Jubilee Line umsteigen, um rasch an das Westminster Pier zu gelangen. Ich hatte gehofft, mit der ersten Schiffstour um 10 Uhr von dort starten zu können. Aber die Massen drängten schon in geballter Form auf das Schiff. Keine Chance noch mitzukommen. Eine halbe Stunde Queuing sind wir ja inzwischen gewöhnt. Aber dann finden wir auf dem Oberdeck des nächsten Bootes Platz und genießen die Themsefahrt nach Osten bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen. Und die Kosten, sonst 36 £, sind gottseidank durch den London Pass abgedeckt.

 

Mit ihrer eindrucksvollen konkaven Fassade grüßt vom südöstlichen Themseufer gegenüber die altehrwürdige Londoner County Hall, die jetzt zu einem Entertainment Palast verkommen ist. Dazu passt das überdimensionale Riesenrad des London Eye, wo die unendlichen Schlangen vor den Kassen auch schon den Gedanken verbieten, dort mitzufahren.  Mit angenehm langsamen Tempofährt das Boot Themse abwärts entlang dem Victoria Embankment, unter der Waterloo und Blackfriars Bridge hindurch. Nun öffnet sich der Blick auf das Bankenviertel der City of London mit seinen eindrucksvollen Hochhäusern und gewagten Architekturen. Daneben wirkt die einstmals gigantische St. Paul’s Cathedral geradezu wie ein Spielzeug. Auf der Steuerbordseite ragt „ The Shard“ steil in den wolkenlosen Himmel. Auch die gewagte Architektur der City Hall saugt den Blick mit ihrer ungewöhnlichen Form an. Der Architekt Norman Foster, der auch die gläserne Reichstagkuppel gebaut hat, hat sich wahrlich etwas Besonderes ausgedacht. Man kann die Form schlecht beschreiben. Die Londoner müssen schon ihre Fantasie spielen lassen, indem sie Namen erfinden wie „Motoradhelm“ oder „Eingedrücktes Ei“. Aber nun beanspruchen die vor uns auftauchende Tower Bridge und auch der Tower of London an Backbord unsere ganze Aufmerksamkeit für sich.

 

Am Tower Pier steigen wir aus und wundern uns, dass so wenig Leute sich an den Ticketschaltern und am Eingang des Towers drängen. Die Hoffnung auf maßvolle Bucherzahlen wird rasch zerstreut, als wir die lange Schlange vor dem Eingang zu den Kronjuwelen entdecken. Katrin zuliebe unterziehe ich mich sowohl dem unvermeidlichen Qeuing als auch dem Vorbeigeschleust- werden an den von Panzerglas bewehrten Kostbarkeiten entlang. Die haben mich schon vor 56 Jahren nur mäßig beeindruckt. Aber die zwei weltgrößten Diamanten nötigen Katrin einigen Respekt ab. Mehr noch haben es Katrin die „Beefeater“, die traditionell gekleideten Palastwachen angetan. Ich muss sie unbedingt mit einem fotografieren. Der White Tower, die alte Burganlage aus dem 13. Jhdt ist nach dem großen Brand wieder restauriert worden wie überhaupt die meisten Teile der Anlage und sind eher enttäuschend. Auch die umfangreiche Waffensammlung kann das nicht wett machen.

 

Nun müssen wir uns aber endlich in einem Pub erholen. Im „Hung Drawn & Quartered“ an der Ecke Byward Street bestelle ich mal eine Bierprobe „London flight“ mit drei verschiedenen Biersorten. Keine üble Idee. Katrin bleibt lieber bei ihrem London Lager. Mit dem Bus fahren wir zum Monument, einem der wenigen Attraktionen die ich aus unerfindlichen Gründen vor 56 Jahren nicht aufgesucht habe. Umso mehr drängte es mich, das heute nachzuholen. Die 61 m hohe Säule wurde nach dem katastrophalen Brand 1666 von Christopher Wren als Mahnmal gegen Feuerbrünste gebaut. Eine Wendeltreppe mit 311 Stufen führt auf eine Aussichtsplattform mit dem eindrucksvollen Blick auf die Themse und den Bezirk der City of London. Wenn der im 19.Jhdt errichtete Drahtkäfig zur Suizid-Verhinderung die Sicht nicht sieben würde, wäre der Anblick der nahe sich emporreckenden Hoch- häuser noch imposanter. Beim Verlassen erhält man eine Urkunde über die Geschichte des Bauwerks und die bezeugt, dass man die 311 Stufen geschafft hat. Mir zuliebe nehmen wir auch noch die St. Paul’s Cathedrale mit. Diesmal bin ich beeindruckt von der gewaltigen Höhe und der in schlichtem aber monumentalem Palladio-Stil erbauten Kirche. Damals erschein mir St. Paul’s, wohl weil ich gerade 2 Monate davor mit Klassenfahrt in Rom war, wie ein billiger Abklatsch des Petersdoms. Das muss ich heute revidieren. Eine Chorprobe lässt den eindrucksvollen Raum fantastisch erklingen.

 

Mit dem Bus fahren wir zurück zur Tower Bridge, denn Katrin möchte unbedingt zu Fuß über diese Brücke laufen. Mit den vielen Standpunkten zum Schauen und fotografieren brauchen wir mindestens eine ½ Stunde, um auf das südliche Themseufer zu gelangen. Das spätnachmittägliche Licht modelliert die Skyline des nördlichen Themseufers in markanten Konturen. Wir können uns nicht satt sehen. Auch das Viertel zwischen Upper Pool und der Tooley Str. fasziniert durch die fantasievolle moderne Architektur um die City Hall herum. Unser Ziel ist „The Shard“ (Die Londoner nennen es so, weil es wie einer riesigen Glasscherbe nicht unähnlich ist). Aber vorher stärken wir uns erst noch einmal in einem wunderschönen Pub vor der London Bridge Station. In dem denkmalgeschützten Pub „The Shipwrights Arms“ erfrischen wir uns in stimmungsvoller Atmosphäre mit je einem Pint. Die zahllosen jungen Leute genießen den Büroschluss auch erst einmal mit einem Bierchen. Nun sind wir gerüstet für den Höhepunkt des Tages. Der 310 m hohe Wolkenkratzer ist das höchste Gebäude der EU, so lange UK noch in der EU bleibt. Mit dem Fahrstuhl gelangt man in das 68. Stockwerk. Das wäre ein teures Vergnügen, hätten wir das nicht schon mit dem London Pass bezahlt. Auf mehreren Aussichtsstockwerken bis zum 72. genießt man einen atemberaubenden Tiefblick auf die Stadt und die Themse, da die Wände bis zum Boden aus Glas bestehen. Viele vor allem junge Leute hocken hier vor den Scheiben und lassen sich von dem unglaublichen Blick inspirieren. Mit dem Drink in der Hand verfolgen wir die langsam untergehende Sonne über dieser erstaunlichen Stadt, was für ein bemerkenswerter Anblick!

 

Von London Bridge Station fahren wir mit der U-Bahn Northern Line bis Euston und finden die Chalton Street von gestern prompt wieder, wo uns Mikko ein zünftiges Pub neben unserem schon bekannten Japaner empfohlen hat. Diesmal bestellen wir die legendären Fish‘n Chips, was hier wirklich besonders gut zubereitet wird, eine gute Empfehlung. Entsprechend voll und laut geht es in diesem Pub zu. Am Ende dieses zweiten Tages stellen wir zufrieden fest, dass wir mit dem London Pass für jeweils 99 £ Sehenswürdigkeiten besucht haben, für die einzeln jeweils mindestes 150 £ Eintritt hätten bezahlen müssen.

 

Eine Zwischenbemerkung: Es liegen nun 56 Jahre zwischen meinem ersten Londonbesuch und heute. Trotzdem finde ich mich erstaunlich gut zurecht und habe den Eindruck, dass sich die Stadt in ihrem Charakter und in ihrer Ausstrahlung kaum geändert hat. Lediglich die Hochhäuser und die interessante moderne Architektur geben der Stadt ein paar spannende neue Akzente.

 

 

Freitag, 23.08.2019  London (British Museum, Madame Tussauds, Portobello Road Market, Hyde Park, Buckingham Palace)

Heute hat sich Anne frei genommen und möchte mit uns gemeinsam in London etwas unternehmen. Da sie bisher noch nicht in Madame Tussauds war, bietet es sich an, dass sie mit Katrin zusammen sich das weltberühmte Wachsfigurenkabinett anschaut. Selbst wenn sich das moderne Spektakel sicher wesentlich von dem klassischen Kabinett vor 50 Jahren unterscheidet, muss ich mich nicht noch mal dem Besucheransturm aussetzen, zumal mich Madame Tussauds auch damals nur mäßig interessiert hat. Ich nutze die Zeit, um dem British Museum einen Besuch abzustatten.

 

Also trennen wir uns in St. Pancras. Katrin und Anne nehmen die Central Line zur Baker Street. Ich nehme die District Line zum Russell Square.  Wie gut, dass ich mich noch erinnere: es gibt einen Nebeneingang zum British Museum am Montague Place. So kann ich der Schlange an dem Haupteingang entgehen, denn hier stehen nur wenige vor den Security Checkpoints an. Trotz Musuemsplan ist es schwierig, sich in dem riesenhaften Komplex zu orientieren. Ich war zwar damals recht oft hier, denn der Eintritt ist wie vor 50 Jahren immer noch gratis, aber ich kann mich natürlich kaum noch an die Einzelheiten erinnern. Schließlich gelingt es mir doch, meine Schwerpunkte zu finden. Vor allem die etruskische Abteilung im 2 Stock muss ich aufsuchen, um die wichtigsten Ausgrabungsstücke außerhalb Italiens wiederzusehen und zu fotografieren. Ich kann nicht umhin, im Erdgeschoss wieder einmal den Highlights dieses Museums zu begegnen, auch wenn sich die Massen hier drängen. An die berühmte Rosetta-Stele kommt man erst gar nicht ran. Um sie näher anzusehen, muss man sich hier auch anstellen. Ich unterziehe mich zähneknirschend der Prozedur, denn ich möchte doch gerne noch einmal einen Blick auf die dreisprachige Inschrift aus dem Jahr 196 v. Chr. werfen, anhand der es Jean-François Champollion 1822 gelang, die ägyptischen Hieroglyphen zu entziffern. Gottseidank interessieren sich die meisten der zahllosen asiatischen Besucher für die ägyptischen Mumien, so dass man die Figuren des Parthenon Frieses einigermaßen ungestört betrachten kann. Ich bin wieder von der Qualität dieser Figuren aus der Werkstatt des Phidias beeindruckt. Spätestens hier kommt man ins Grübeln über den Charakter dieses Museums. Lord Elgin hatte die Skulturen und Reliefs aufgrund einer bis heute umstrittenen Erlaubnis des Sultans vom Parthenon meißeln lassen und 1801 an das British Museum verkauft. Das löste schon damals europaweit Empörung aus und veranlasst Griechenland bis heute auf Rückerstattung zu bestehen. Ähnliche Gedanken bewegen mich beim Anblick des unglaublich schönen Nereiden-Monumentes aus Xanthos, das aus den nach London geschafften Trümmern 1969 wiederaufgebaut worden ist. Warum ist das schönste erhaltene Monument ganz Lykiens nicht am Ort in der Türkei zu sehen? Auf der anderen Seite bin ich froh, die begeisternd gut erhaltenen Reliefs aus Assyrien zu sehen. Hier sind sie erhalten, im Irak durch den Krieg und den Kunstraub in den Nachkriegswirren meistens verloren.

 

Von den vielen Eindrücken muss ich mich erst einmal im Pub „Museum Tavern“ an der Great Russell Str. / Ecke Museum Str. erholen. Ich denke mir, dass Katrin und Anne ziemlich lange vor Madame Tussauds anstehen mussten, so dass ich mir mit dem Abholen Zeit lassen kann. Also schlendere ich durch das attraktive Holborn-Viertel zum Leicester Square. Hier tummeln sich geradezu die vielen Theater-Etablissements, durch die Leicester Str. zum Piccadilly Circus, um mit der U-Bahn Bakerloo Line bis zur Baker Str. zu fahren. Vor dem fiktiven Haus in der Baker Street steht unübersehbar eine Sherlock Holms Statue. Damals vor über 50 Jahren musste man die Nummer 221b suchen, heute drängen sich die Massen vor dem Eingang zu einem Museum.

Als ich dann die Beiden um 15 Uhr am Eingang abhole, müssen wir uns erst einmal gegenüber in dem gemütlichen Pub „The Globe“ an der Marylebone Road, Ecke Baker Street erholen, damit sie auch von ihren Erlebnissen bei Madame Tussauds erzählen können. Sie waren ca. 3 Stunden in dem Wachsfigurenmuseum und sind vielen bekannten Politikern, Wissenschaftlern, Schauspielern, sonstigen Vips begegnet. Am meisten hat ihnen aber die Einladung zum Tee bei der Queen gefallen. Dort mussten sie sich in einem Cafè auf das spezielle Foto mit der Queen bei Tische vorbereiten. Bei der Gelegenheit hat Katrin einen Scone mit Rosinen probiert. Danach kam dann das unglaubliche Foto mit Katrin zum Tee bei der Queen gemacht werden. Wie gut, dass sie heute ihren fulminanten Hut aufhat. Wer genau auf das Foto blickt, erkennt, dass Katrin ihre Beine genauso schicklich angewinkelt hat wie Queen ?. Danach sind Katrin und Anne in einem traditionellen Taxi wie i einer Geisterbahn an gestellten Szenen aus der englischen Geschichte vorbeigefahren. Das war wohl eine besondere Attraktion. Ich bin damals noch von Kabinett zu Kabinett gelaufen, um die Hinrichtung von Maria Stuart zu sehen und die Figuren waren in meiner Erinnerung ziemlich verstaubt gewesen. Doch ein deutlicher Fortschritt gegenüber „meiner Zeit“. Ganz zu schweigen von der Superhelden-Show in einem 4D Kino. Auch wenn der Inhalt des Streifens Katrin und Anne ziemlich trivial vorkam, war die Performance technisch wohl ziemlich perfekt.

 

Mit der Circle Line fahren wir bis Ladbroke Grove, um die Portobello Road entlang zu laufen. Der einstmals größte und berühmteste Flohmarkt der Welt ist zu einem recht langweiligen Gemischtwaren-Angebot verkommen. Vielleicht haben schon einige der Flohmarkthändler wegen der fortgeschrittenen Stunde ihre Stände abgebaut. Zwischen den Billigtextilien taucht doch ab zu ein Flohmarktstand mit buntem Angebot auf. Anne erwirbt sogar eine tolle Schallplatte für Mikkos Sammlung. Die Straße ist aber ohnehin so pittoresk, dass es Spaß macht, auf ihr bis Notting Hill zu schlendern. Von dort fahren wir mit der Central Line bis Marble Arch und laufen von Speakers Corner durch den Hyde Park bis Hyde Park Corner durch den östlichen Teil des Hyde Park, der von vielen Familien mit Kindern bevölkert und benutzt wird. Das warme Wetter hat alle Welt hinausgelockt. Die kräftige spätnachmittägliche Sonne hebt mit markanten Konturen die Landschaft, den Serpentine See und die Häuserreihen im Hintergrund eindrucksvoll hervor. Durch diese wunderbare Ablenkung spüren wir von die vom weiten Stadtlaufen schmerzenden Füße kaum. Wir sind aber noch am Ziel. Erst möchte Katrin den Buckingham Palast von außen sehen. Hinter dem hohen Zaun beobachten wir erheitert die steife Wachablösung der traditionellen Pelzmützen. Der Marmor des Victoria Memorial reflektiert die Strahlen der untergehenden Sonne so stark, dass einem fast die Augen weh tun. Durch den Green Park laufen wir mit letzter Kraft zur gleichnamigen U-Bahn-Station. In diesem Park fällt uns ähnlich wie im Hyde Park auf, dass vor allem junge Leute die Bänke und Rasenflächen bevölkern. Überhaupt nehmen wir London, wenn man mal von den Orten der weltberühmten Sehenswürdigkeiten absieht, als eine junge dynamische Stadt wahr. Mit der Piccadilly Line fahren wir zu unserem schon vertrauten St. Pancras.

 

Samstag, 24.08.2019 Unser letzter Tag in London (Hampton Court, City of London)

Heute am Samstag können wir alle Vier was zusammen unternehmen. Da Anne und Mikko Hampton Court auch noch nicht gesehen haben, machen wir uns schon früh auf, dorthin zu fahren. Es liegt ziemlich weit südwestlich von London entfernt, so dass wir ca. 1 Stunde mit der Thameslink bis Wimbledon fahren. Südlich von London kommt mir die Gegend recht bekannt vor, schließlich fahren wir auch an Streatham, wo ich vor 56 Jahren gewohnt habe, vorbei.

In Wimbledon steigen wir in einen Zug der South Western Railway um, der bis Hampton Court fährt. Wir überqueren die Themse, die hier deutlich schmaler und kleiner als in London daher fließt, um in das berühmte Schloss zu gelangen. Der Eintritt wäre auch noch im London Pass inbegriffen gewesen, der leider bei uns nun schon seit 2 tagen abgelaufen ist, schade. Das Schloss war bevorzugte Residenz der englischen Könige in der Tudor Zeit. Durch spätere Barockanbauten in der Georgianischen Zeit zählt Hampton Court als eines der wichtigsten englischen Bauwerke der Renaissance und des Barock.

Mit einem genialen Audioguide werden wir zunächst durch die Wirtschafts- und Küchentraktes des Tudorschlosses geführt. Man hat hier Erhaltenes mit neu Nachgebautem so anschaulich zu einem Ensemble kombiniert, dass man sich gut vorstellen kann, wie das alltägliche Hofleben im 16. Jhdt. ausgesehen haben und abgelaufen sein mag. Zu noch größerer Lebendigkeit vor allem für die Kinder stehen in den Räumen Bedienstete in der historischen Kleidung zu Fragen und Informationen zur Verfügung. In den Privatgemächern und in dem Beratungszimmer stellt sich ein Schauspieler in der Tracht Heinrich VIII den Fragen der Besucher. Das macht er wirklich gut, vor allem sieht er dem König erstaunlich ähnlich. In diesen Gemächern hat also der eigenwillige König mit seinen 6 Frauen residiert. Die vielen Originalportraits an den Wänden vermitteln einen authentischen Eindruck. Höhepunkt ist natürlich die wunderschöne Royal Chapel. Zwischen den goldbemalten Kreuzrippen leuchten hellblaue Wände und verschaffen zusammen mit der fantasievollen Wandtäfelung und dem reich verzierten Chorgestühl dem Raum eine glanzvolle Atmosphäre.

Dagegen wirkt der auch sehr prächtig gestaltete Barockanbau der Georgianischen Zeit eher langweilig und ist dem sonst auf dem Kontinent üblichen Barockpalästen ziemlich ähnlich. In dem weitläufigen Barockgarten wird heute ein Food Festival veranstaltet. Unter vielen Zelten werden mannigfaltige Speisen und Getränke angeboten, dazu spielt eine rockige Live Band. Wir entgehen der heute sengend strahlenden Sonne im Schatten eines Champagnerzeltes und stoßen mit einem Gläschen auf die spannenden und erlebnisreichen London-Tage an. Dem Ausgang zustrebend lassen wir uns nicht die interessante Galerie mit Bildern von Mantegna, die den Triumpf Caesars darstellen, entgehen. Und auch der weltweit größten Weinrebe müssen wir einen Besuch abstatten. Natürlich muss Katrin auch noch im Irrgarten herumlaufen, obwohl ihr schon die Füße wehtun. Da Anne und Mikko die Zeit nutzen, um ausführlich alle Teile der weitläufigen Anlage zu sehen, verlassen wir schon früher Hampton Court, um noch mal von der City of London Abschied zu nehmen.

 

Mit der South Western Railway fahren wir wieder mindestens eine halbe Stunde, obwohl der Zug nur noch in Clapham Junction hält, bis Waterloo Station, um in die Waterloo & City Line bis zur Station Banks am nördlichen Themseufer. Wir irren auf der Suche nach einem schönen Pub in der  Lombard und King William Street herum, da ich in meiner Erinnerung hier viele schöne Pubs vermutet habe. Schließlich finden wir am Monument doch noch ein richtig stimmungsvolles Pub „Greene King“, wo wir mit einem zünftigen Pint unseren Abschied von dieser lebendigen Stadt nehmen.

Da wir uns mit Anne und Mikko wieder in der Chalton Street verabredet haben, nehmen wir die Northern Line nach King’s Cross. Von dort ist ja nicht mehr weit in unser Fressgässle. Heute Abend haben wir Anne und Mikko in ein indisches Restaurant eingeladen. Auch hier wurden wir nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil.

 

 

Sonntag, 25.08. 2019   Luton Airport, Basel Euro-Airport, Waldkirch

Der Bequemlichkeit halber hat uns Mikko für heute Morgen ein Taxi nach Luton bestellt. Nach einem herzlichen Abschied von den beiden – ganz herzlichen Dank für Eure großartige Gastfreundschaft – bringt uns das Taxi bequem zum Airport nach Luton. Nach einem im wahrsten Sinne kurzweiligen Flug – aus der Flughöhe sieht man, wie schmal der Ärmelkanal ist, der die Insel vom Festland trennt – landen wir angenehm in Basel und freuen uns sehr, dass Sigi uns hier abholt und ins heimatliche Batzenhäusle bringt.

 

 

 

 

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