Wieder zurück in Vietnam
2.3. Si Phan Don (4000 Inseln) – Vientiane – Hanoi
Der Transfer von Don Khone zum Flughafen von Pakse klappt diesmal vorzüglich, weil uns der Besitzer von Phan Guesthouse mit seinem eigenen Auto nach Pakse fährt. Im ersten Teil bringt uns zunächst das Boot zum Pier, so dass wir in aller Ruhe vom Mekong Abschied nehmen, für uns endgültig, Thomas wird ihn vielleicht noch mal mit der Familie in seinem Delta besuchen. Die Fahrt nach Pakse verläuft komfortabel und kurzweilig, weil wir uns mit dem Besitzer gut auf Englisch unterhalten können. Eine der seltenen Begegnungen mit einem Laoten, der Unternehmungsgeist, Bildung und Aufgewecktheit verkörpert. Er weiss auch, wo wir in Pakse noch unsere Visaanträge für Vietnam ausdrucken können, so dass wir gut gerüstet den Flug über Vientiane nach Hanoi antreten können.
Der Wechsel vom Domestic Airport zum International in Vientiane lässt sich problemlos bewältigen, denn sie liegen nur 150 m auseinander und unterscheiden sich, was Grösse und Ausstattung anbelangt in nichts. Ursprünglich wären wir gerne auf einen früheren Flieger nach Hanoi gewechselt, aber Vietnam Airline fliegt erst um 20 Uhr, wie wir es vorsorglich, falls es Transferprobleme oder Verspätungen geben sollte, gebucht hatten. Die Wartezeit wollen wir uns mit einem guten Mittagessen in dem gediegen teuer aussehenden internationalen Restaurant des Flughafens verkürzen. Unser Eindruck von der schwachen Präsentation dieses Landes wird hier noch einmal unterstrichen. Denn in diesem „Nobelrestaurant“ im „internationalen Airport“ der Hauptstadt kann kein Mensch auch nur ein Wort Englisch.
Pünktlich um 21 Uhr 15 landet unsere Maschine in Hanoi. Einen grösseren Gegensatz zwischen den beiden Hauptstadt-Flughäfen Vientiane und Hanoi kann man sich kaum vorstellen. Dort mickriger als jeder Provinzflughafen in Deutschland, hier modern, grosszügig. Das reiht Laos noch einmal in seiner ökonomisch-politischen Bedeutung ganz hinten in den Länderkanon Südostasiens ein. Mit unseren vorgedruckten Visaanträgen wird die Visumerstellung rasch und geräuschlos abgewickelt. An der Länge der Taxifahrt vom Flughafen in die Innenstadt zu unserem Hotel bekommen wir einen Eindruck von der Grösse der 7 Millionenstadt.
3.3. Hanoi
Unsere erste Empfindung: Hanoi bietet eine wesentlich kühlere Luft, angenehm nach den tropischen Tagen am Mekong, auch wenn uns der bewölkte Himmel und die dunstige Luft die Buntheit der Stadt in graue Töne hüllen. Unser Hotel liegt ideal, direkt hinter der Josephskathedrale und unweit des Hoan Kiem Sees. In der neogotischen Betonkirche drängen sich am Donnerstag zur Frühmesse die Gläubigen. Die Pfarrer in Deutschland können von einer solch grossen Gottesdienstgemeinde unter der Woche nur träumen. Der für Südostasien relativ hohe Anteil von Katholiken (10%) zeugt von einer sehr erfolgreichen Mission französischer Geistlicher. Wir erinnern uns, dass in den sechziger Jahren ja sogar der umstrittene katholische Diktator Ngo Dien Diem Südvietnam regiert hat.
Trotz dieses neblig-dunstigen Wetters ist der kleine Schildkrötenpavillon, das Wahrzeichen von Hanoi, mitten im Hoan Kiem See gut zu erkennen. Wir wenden uns zunächst dem kolonialen Stadtteil westlich des Sees zu und freuen uns über den gepflegten Erhaltungszustand der repräsentativen Kolonialarchitektur. Besonders beeindruckt sind wir von der Oper, dem ehemaligen Palast des Gouverneurs von Tongking und dem mondänen Hotel Sofitel Metropole Hanoi. Wir können nicht umhin, in der Lobby des 1901 eröffneten berühmten Hotels den Spuren der berühmten Gäste dieses Hotels nachzugehen. Immerhin war 1923 Somerset Maugham in dieser Nobelherberge Gast, verbrachten 1936 Charlie Chaplin und Paulette Goddard ihre Flitterwochen. Auch Joan Baez war sogar 1973 während des amerikanischen Bombenhagels auf Hanoi im Bunker dieses Hotels.
Am nördlichen Rand des Hoan Kiem Sees führt eine malerische Brücke, das Fotomotiv für die Touristenmassen, zum Ngoc Son (Schutzgeisttempel). Hier gewinnt der Name des Sees Hoan Kiem (zurückgegebenes Schwert) legendäre Gestalt. Hier soll dem gegen die chinesischen Truppen in Bedrängnis geratenen Grossgrundbesitzer Le Loi eine Riesenschildkröte erschienen sein und ein Schwert überreicht haben, mit dem er die feindlichen Truppen besiegt hat. Danach erschien die Schildkröte wiederum und verlangte das Schwert zurück. Daher der Name des Sees. Tatsächlich barg man 1968 im Schlamm des Sees eine mumifizierte Riesenschildkröte, die jetzt in dem Tempelchen ausgestellt wird.In dem stark restaurierten Tempelchen werden drei daoistische Gottheiten, hintereinander aufgereiht der General Qan Cong, dann La To, Gott der Heilkundigen, im Hintergrund leicht erhaben Van Xuong, der Gott der Literatur. Die rotgesichtigen lackierten Figuren rufen bei uns eher Kitschassoziationen als erhabene Ruhe hervor, ein grosser Gegensatz zu den Ruhe und Güte ausstrahlenden Buddhafiguren bisher. Besonders kitschig wirkt das hölzerne Pferd des Generals, das wie ein überdimensionales Schaukelpferd aussieht. Am eindrucksvollsten ist die Einbettung des Heiligtums in dichtbelaubte Bäume, von denen lange Lianen in das Wasser hängen.
Nördlich des Sees beginnt die Altstadt Hanois. Wie in alten Zeiten, wo die Handwerker Zünften zugeteilt waren, sind die Quartiere auch heute noch bestimmten Handwerkern und Händlern zugeordnet. So finden sich in bestimmten Strassen nur Klamottenhändler, in der Querstrasse Eisenwaren, dahinter Lebensmittel, getrennt nach Gemüse, Fleisch und Fisch. Hier tobt das Leben. Die Häuser, sog. Tunnelhäuser, bieten zur Strasse hin eine schmale, oft nur ein Fenster breite, mehrstöckige Front und dehnen sich nach hinten über mehrere Höfe aus. Das enge Nebeneinander von Bauten im Kolonialstil und asiatischen Fassaden macht den besonderen Reiz der Altstadt aus. Gottseidank haben die Bombenhagel der amerikanischen B 52 diesen Teil der Stadt verschont. Bei all den vielen Geschäften und Werkstätten fällt es uns schwer ein Restaurant zu finden. Es ist vor allem der Stadtteil der Cafes. Schliesslich landen wir nach langem Suchen in einer Garküche, wo wir schmackhaft zubereitetes Essen vorgesetzt bekommen.
Den Nachmittag nutzen Thomas und ich, Exkursionen für die nächsten Tage zu organisieren, während Katrin zurück zum Hotel eilt. In einer Thomas empfohlenen Agentur buchen wir für Sonntag, 6.3. –Dienstag 8.3. eine Tour in die Halong Bucht, für Freitag, den 4. März, eine Exkursion zur Parfümpagode. Nach den erfolgreichen Abschlüssen setzten wir uns an die Kreuzung der Le Thai Ho und der Hang Dao und schauen fasziniert dem Verkehrsgewühl am Nordrand des Hoan Kiem Sees zu. Hier spürt man den Pulsschlag dieser lebendig dynamischen Stadt. Gleichwohl erscheint uns das Tempo gegenüber Saigon noch etwas gemässigt. Das Dinner geniessen wir auf einem Balkon hoch über dem pulsierenden Verkehr in einem hübschen Restaurant (Gecko). Wir rollen selbst den schmackhaft zubereiteten Fisch zusammen mit Nudeln und Gemüse in Reispapier, ein interessantes und nahrhaftes Unterfangen.
4.3. Parfümpagode
Da die Parfümpagode (Chua Huong) zu den bedeutendsten Wallfahrtstätten Vietnams gehört, zu der zwischen Mitte Februar bis Anfang April die Menschen massenweise pilgern, haben wir es nicht gewagt am Wochenende dorthin zu fahren. Aber auch am Freitag brandeten uns wahre Massen an Menschen entgegen. Die Fahrt zu dem 60 Kilometer südwestlich von Hanoi gelegenen Heiligtum führte durch endlose Reisfelder, in denen die Bauern gerade die neue Aussaat setzten. Uns fiel auf, dass häufig Grabmäler in den Reisfeldern standen. Wir erfuhren, dass man in Vietnam die Angehörigen auf eigenem Grund begraben kann und dass die z.T. schon alten Grabstätten aus Pietät auch in den nun als Reisfelder genutzten Flächen verbleiben.
Das Heiligtum liegt in bizarren bewaldeten Kars tbergen. Leider schränkt das neblig-trübe Wetter die Sicht auf die fantastische Landschaft schmerzhaft ein. Ab dem Dorf Ben Duc geht es in Ruderbooten bis zur Hauptanlegestelle. Bei den Massen von hauptsächlich vietnamesischen Besuchern ist der kleine Fluss unter den zahllosen Ruderbooten kaum zu erkennen. Der Pilgerweg ist gesäumt von Andenkengeschäften, Ess-, Süssigkeits-Buden und Devotionalienkitsch. Man bekommt den Eindruck, dass die Pilgerfahrt von den Vietnamesen wie ein grosses Volksfest gefeiert wird.
"Parfümpagode" ist auch ein irreführender Name. In Wahrheit liegen 31 Tempel und Zeremonialgrotten rund um den „Berg der wohlriechenden Spur“ (Huong Tich Son). Der unterste Tempel Chua Thien Tru, der aus dem 14. Jhdt. stammt, mehrfach erneuert, zeigt einen grossen Kontrast zwischen dem anmutig zarten Architekturensemble und den kitschig groben Figuren in der Zeremoniehalle. Das hält die Gläubigen nicht von massenhafter Verehrung ab. Den 4 km steil ansteigenden Wallfahrtsweg ersparen wir uns durch die Seilbahn. Der Zugang zum Hauptheiligtum liegt in luftiger Höhe. Leider ist die Sicht so eingeschränkt, dass man den landschaftlichen Reiz nur ahnen kann. Vom Gipfel führt der Pfad steil hinab in eine riesige Tropfsteilhöhle. Wie das Maul eines Riesendrachen öffnet sich die Höhle in eine riesige Halle. Hier drängen sich die Massen dicht zum Bild der Quan Am, der tausendarmigen Göttin der Barmherzigkeit. Trotz der Menschenmassen herrscht andächtige Stille in der Halle. Sie sind z.T. von weit hergekommen, um von der Göttin Gesundheit und Wohlergehen zu erbitten. Entsprechend reich türmen sich auch die Opfergaben um die Altäre. Gut, dass wir den Pilgerpfad nicht hochgewandert sind. Denn der Abstieg reicht schon völlig aus: wir laufen durch ein Spalier von Läden, fast der ganze Weg ist wie ein Markt überdacht, eben Jahrmarktgedränge. Es ist trotz der etwas enttäuschenden künstlerischen Qualität der Tempelanlagen und des neblig-trüben Wetters ein interessantes Erlebnis, die religiösen Gepflogenheiten der Menschen hautnah mitzubekommen.
5.3. Hanoi - Ho Chi Minh Mausoleum, Literaturtempel
Der Samstagmorgen bietet kühles nebelnasses Wetter. Vielleicht gerade geeignet, Onkel Ho in seinem Mausoleum einen Besuch abzustatten. Katrin hat noch Einiges im Hotel zu tun, also machen Thomas und Detlev sich auf den Weg, der unerwartet lang wird, so dass wir dann doch noch zu einem Taxi greifen. Natürlich haben viele andere dieselbe Idee, vor allem vietnamesische Familien und Firmendelegationen bilden eine lange Schlange vor dem Eingang. Meine Befürchtung, dass wir vielleicht so lange wie vor den Uffizien in Florenz warten müssen, bestätigt sich nicht. Eine erstaunlich kompetente Organisation sorgt für einen raschen und reibungslosen Ablauf, so dass wir trotz langer Schlange innerhalb von 30 Minuten in die „heiligen Hallen“ eintreten. Der Personenkult hat deutlich pseudoreligiöse Züge und wirkt wie eine Kopie des Leninmausoleums in Moskau. Leider können wir auch nur einen kurzen Blick auf den aufgebarten Leichnam beim Vorbeidefilieren werfen. Der grosse Staatsgründer liegt bleich und friedlich in seinem Glassarkophag. So haben wir einem Mann, der für unser politisches Erwachen in der Jugend- und Studentenzeit keine unwichtige Rolle gespielt hat, auch wenn ich bei den damaligen Demonstrationen 1968 nicht mit in die Chorrufe „Ho Ho Ho Chi Minh“ eingestimmt habe.
Interessanter für uns ist sein Haus, ein bescheidener Holzbungalow, mit fast spartanischer Einrichtung, in dem er ab 1958 bis zu seinem Tod gelebt und gearbeitet hat. Allerdings ist der Bau von einem wunderschönen Teich und einem idyllischen kleinen Park mit Mangobäumen und Sumpfzypressen umgeben. Weniger ergiebig erschien uns das protzige Ho Chi Minh-Museum, weil die für uns interessanten Dokumente aus der Biographie Ho Chi Minhs wegen Restaurierungsarbeiten nicht zugänglich waren. Die im oberen Stock präsentierte Rezeption des Politikers durch zeitgenössische Künstler hat uns wenig überzeugt. Wir finden es auch etwas weit hergeholt, dass man diesen sicher sehr bedeutenden Mann in eine Reihe mit grossen Philosophen wie Rousseau, Hegel, Friedrich List, Marx und Engels gestellt hat.
An einem Bahnübergang beobachten wir fasziniert, wie der Zug dicht an den Häusern vorbeifährt und die Schrankenwärter mit Handarbeit die Schranken über die Strasse ziehen. Ein kleiner Vorgeschmack auf unsere Bahnfahrt am Dienstag, den 8. März.
Den Literaturtempel habe ich (Detlev) mir alleine für den Nachmittag vorgenommen. Die anderen hatten dazu keine Lust. Eigentlich hätte ich mir den Besuch auch sparen können. Meine Erwartungen an dieses Bauwerk, das die wichtigste Institution für die Ausbildung und Auslese der bürokratischen Führungskräfte war, wurden nachhaltig enttäuscht. Das lag nicht nur an der trüb-nebligen Luft, die den ohnehin schon grauverwitterten Stein noch unansehnlicher erscheinen liess. Das unscheinbare Aussehen der Tore steht in harschem Kontrast zu den wohl klingenden Namen „Tor des erworbenen Talents“ oder „Tor der gewonnenen Tugend“. Lediglich das Tor des „Grossen Erfolg“ erscheint ein wenig prächtiger. Durch dieses Tor durften die erfolgreichen Prüflinge nach mehrtägigen Examina über die Schriften des Konfuzius und ihre Auslegungen schreiten. Es passte gut und gab dem eher tristen Ambiente etwas Farbe, dass hier die Absolventen der Hanoier Universität ihre Examensfeier abhielten. Die lebensgrossen Bronzefiguren dreier vietnamesischer Könige sind in dem schummrigen Licht kaum auszumachen.
6. – 8. 3. Halong Bucht
Bereits um 7 Uhr 30 werden wir am Hotel abgeholt. Bis alle Teilnehmer von ihren Hotels aufgenommen sind, vergeht eine gute Stunde. 2 Stunden braucht der Bus bis zum Hafen, dann werden wir mit einer kleinen Barkasse auf unser gemütliches Boot gebracht. Schade, dass wir nur eine Nacht in den stimmungsvollen Kajüten verbringen können. Auch die Verpflegung an Bord ist tadellos.
Leider leistet das Wetter nur einen schwachen Beitrag zum Gelingen des Unternehmens. Es trübt sich immer mehr ein, so dass die fantastischen Karstfelsen, die wie mythische Fabelwesen aus dem Meer ragen, immer mehr an Mystik gewinnen, die Konturen aber zusehends verschwinden. Der Veranstalter hat uns ein aussergewöhnliches Programm versprochen, ausserhalb der ausgetretenen Tourismusrouten. Tatsächlich aber besuchen wir auf der Insel Hang Sun Sot die meistbesuchte Tropfsteinhöhle. Die Höhle ist grossartig, riesig und voll interessanter Sinterformationen. Gottseidank ist es schon so spät, dass die Massen wieder auf ihren Schiffen sind. Dafür ist es uns aber zu spät, zu kalt und zu dunkel,um danach noch eine Kajaktour zu unternehmen. Wir schauen den anderen zu und sind froh, nicht im Kalten und Nassen sitzen zu müssen. Unser Schiff ankert in einer Bucht mit zig anderen Schiffen, um am nächsten Morgen rasch die Insel Ti Top zu erreichen, die nach dem sowjetischen Kosmonauten Titow benannt ist. Steil auf der Spitze dieser Insel lockt normalerweise eine Aussichtsplattform mit einem fantastischen Blick über diesen Teil der Halongbucht. Wir quälen uns aber weitgehend umsonst hinauf. Hatte man schon von halber Höhe nur einen durch Dunst eingeschränkten Blick, entzog auf dem Gipfel der Nebel jeglichen Fernblick. Im Morgenlicht erkennen wir erst so richtig, dass die Bucht voller Müll und Abfall ist. Eine Schande, dass die Schiffe wohl in diese grossartige Landschaft, die zum Weltkulturerbe zählt, einfach ihre Abfälle entsorgen. Mann kann davon ausgehen, dass bei dieser Menge an Schiffen und Touristen die berühmte Bucht bald zur Kloake verkommt.
Leider müssen wir nun mit unserem Gepäck auf ein kleineres Schiff umsteigen, denn die nächsten Gäste wollen schon an Bord, eine ungemütliche Kreuzfahrt. Wir tuckern an unglaublichen Karstformationen vorbei, ein barockes Naturtheater. Trotz der eingeschränkten Sicht kann man erahnen, mit welch einmaliger Fantasie die Natur die Landschaft geformt hat und zu der Legende über die Enstehung der Bucht angeregt hat. Man erzählt sich, dass vor undenklichen Zeiten eine Drachenmutter herabgestiegen (der Name "Ha Long" bedeutet "heransteigender Drache"), um den in Bedrängnis geratenen Vietnamesen zu helfen. Sie spuckte Perlen in die Bucht, die zu den Felsen versteinerten.
An der grössten Insel Cat Ba landen wir, bekommen Fahrräder gestellt für eine kleine Tour in das Inselinnere. Die bis zu 300 m hohen dicht bewaldeten Hügel sollen seltene Pflanzen- und Tierarten beherbergen. Wir lesen von Bergziegen, Gibbons, Waranen, Makaken. Zu Gesicht haben wir keins davon bekommen. Auch die Pflanzenwelt wird uns von unserem Guide auf einer kleinen Wanderung durch den Wald mit kurzen Kletterpartien nicht erklärt. Aber die grösste Enttäuschung ist der gleichnamige Hauptort der Insel. Zwar übernachten wir in einem ordentlichen Hotel, das noch den etwas verblichenen Charme des realexistierenden Sozialismus ausstrahlt, aber einen grossartigen Blick über die Bucht mit den vielen Fischerbooten geboten hätte, wenn man denn trotz des Nebels und des einsetzenden Nieselregens etwas gesehen hätte. Die Stadt selbst ist tröge, fantasielos, eben auf Badetourismus getrimmte Fazilitäten, die bei eben diesem kühlen Nieselwetter nur Frust und Langeweile vermitteln. Immerhin finden wir ein gutes Restaurant, wo wir den Abend angenehm verbringen können.
Der nächste Tag besteht eigentlich nur aus Rückfahrt, zuerst mit dem kleinen Boot wieder zu dem grösseren Uebernachtungsboot, wo uns noch ein hervorragendes Mittagessen serviert wird. Die interessanten Phasen der Fahrt führten vorbei an den schwimmenden Dörfern, wo Fisch- und Perlenzucht betrieben wird, und wieder an der unglaublichen Kulisse der Karstfelsen vorbei. Gegen Mittag zog der Nebel so dicht, dass die Felsen schemenhaft aus der Nebelwand auftauchten oder nur Teile ihrer Gestalt preisgaben. Das bewirkte wirklich eine mystische Stimmung. Die Landschaft verwandelte sich geradezu in eine chinesische Tuschezeichnung. Das zauberische Bild wird jäh gestört durch eine Bohrinsel. Und wir können unsere Empörung kaum unterdrücken, dass im Gebiet des Naturschutzes und in dieser auf der Welt wohl einmaligen Landschaft nach Oel gesucht wird.
Wieder in Hanoi angekommen, heisst es abermals umpacken, diesmal für die Weiterreise mit dem Nachtzug. Um 22 Uhr rollt dann der „Wiedervereinigungsexpress“ langsam aus dem Bahnhof von Hanoi. Wir machen es uns bequem in unserem recht komfortablen Viererschlaf-Abteil und hoffen, dass uns der Zug in einen erquickenden Schlaf schaukeln wird.
9. – 10. März Hue
An tief erquickenden Schlaf ist natürlich in einem Rumpelzug, der mit leichtem Schaukeln und im Takt der Schienenstösse mit ca. 60 – 70 kmh sich fortbewegt, nicht zu denken. Aber man schläft immer wieder ein und hat die fast 700 km Distanz zwischen Hanoi und Hue in Zentral-Vietnam dann doch „im Schlaf“ überwunden. Die letzten Kilometer schlängelt sich der Zug durch eine sonnendurchglänzte Landschaft (endlich, nach den nebligtrüben und kühlen Tagen im Norden!) vorbei an endlosen Reisfeldern. Nach einer stärkenden Nudelsuppe im Speisewagen rollen wir pünktlich (da könnte die DB noch etwas lernen) im Bahnhof Hue ein. Unser erster Eindruck von der alten Königstadt Vietnams ist sehr positiv. Das liegt nicht nur an dem sommerlich sonnigen Wetter, die Stadt macht einen lebendigen modernen Eindruck mit viel Grün, gepflegter Architektur und schönen Uferpromenaden an dem grossen Fluss, der die geschäftigen Stadtteile von der alten königlichen Zitadelle trennt. Der Name unseres Hotels „Charming“ ist auch Programm. So charmant, freundlich und zuvorkommend sind wir selten begrüsst worden. Das sind alles gute Voraussetzungen für einen angenehmen Aufenthalt in dieser Stadt.
Der Fussweg vom Hotel über den Parfümfluss zur Zitadelle lehrt uns, dass die Entfernungen in Hue leicht unterschätzt werden. Ausserdem treibt uns die nachmittägliche Hitze Schweissperlen ins Gesicht. Auch die Dimensionen der einstigen Königstadt sind gewaltig. 1802 proklamierte der aus einer alten Adelsfamilie im Süden Vietnams stammende Nguyen Phuc Anh sich zum vietnamesischen König und nannte sich Gia Long. Unter seiner Herrschaft wurden die politisch unterschiedlichen Teile des Landes vereint. Hue wuchs zu einer Residenz- und Beamtenstadt. Auch als die Franzosen 1887 die Macht übernommen hatten und die Nguyen-Herrscher nur noch Marionetten waren, behielt Hue seinen Charakter als wichtigstes kulturelles und religiöses Zentrum. Thomas, der schon mehrmals in Beijing war, erkennt sofort, dass die dortige „Verbotene Stadt“ Pate gestanden hat zu den Bauten in Hue. Durch das „Mittags“-Tor, einer verkleinerten Kopie des gleichnamigen Zugangs in Beijing, gelangt man in die „Purpurne verbotene Stadt“. Chinesische Stilelemente, Gebäude auf Plattformen, die tief gezogenen zweistufigen Walmdächer werden von bemalten Holzsäulen getragen, beherrschen die gesamte Architektur.
Durch zwei Ehrenbögen (Bogen der Rechtschaffenheit und der Klarheit im Geiste) schreitet man voran zum Hof des „Grossen Empfangs“, auf dem die Mandarine je nach Rangordnung in Reih und Glied bei Audienzen Aufstellung nahmen. Der Hof grenzt direkt an das grösste Palastgebäude, der „Halle der Höchsten Harmonie“, wo die Krönungszeremonien stattfanden. Von den Privatgebäuden der Könige sind nach den Kämpfen gegen die Franzosen 1947 und den amerikanischen Bombardements nach der Tet-Offensive 1968 nicht einmal die Grundmauern erhalten. Lediglich die Gebäude für die hohen Mandarine, das königliche Theater (das gerade wegen Restaurierungsarbeiten sich leider dem Anblick entzieht) und der Lesepavillon, der so überzogen mit Ornamentik ist, dass man zwischen Kitsch und Kunst schwankt, zeugen noch von der einstigen Pracht.
Bemerkenswert ist die Kommentierung der Dokumente und Kunstwerke von den sozialistisch orientierten Offiziellen. Sie bemühen sich erstaunlich um historische Objektivität. Hinweise auf die feudale Rückständigkeit und ungerechte Gesellschaft gibt es, aber nicht plakativ störend, schon gar keine Verurteilung der Amerikaner wegen ihrer kulturzerstörenden Bombardements, obwohl die wirklich angebracht wären.
Thomas kann nicht genug bekommen und schaut sich auch die restaurierten Privattempel der königlichen Familie in der Westachse an, während Katrin und ich den Heimweg antreten, um den fulminanten Sonnenuntergang über dem Parfümfluss in einem Restaurant am Ufer geniessen zu können.
Die Könige haben sich grossartige Grabanlagen ausserhalb der Stadt bauen lassen. Die schönsten noch erhaltenen Gräber liegen 12 km südwestlich. Wir mieten Motobikes und fahren auf Entdeckung. Zunächst verfahren wir uns und verirren uns in einer wunderschönen hügeligen Landschaft mit kleinen Flussläufen und bunten Tempeln. Der Gegensatz der beiden Grabanlagen, die wir dann schliesslich besuchen, könnte nicht grösser sein, obwohl sie sich grundsätzlich nach den Grabanlagen der chinesischen Ming-Dynastie richten, wie wir uns informieren. Das Grab für den König Khai Dinh (reg. von 1916 – 1925) benutzt als Baustoff Beton, das damals modernste Material, sowie Glas- und Porzellanscherben für die Dekoration. Die Anlage ist an einen Hügel gebaut, so dass man viele Stufen über zwei Plattformen bis zur Grablege steigen muss. Die in Beton gegossenen Mandarine als Grabwächter reizen eher zum schmunzelnden Kopfschüttern denn zur Ehrfurcht. Die mächtige Grabhalle wirkt wie ein Rokokoschlösschen. Der französische Einfluss ist nicht zu übersehen. Das Rokokoeske steigert sich dann im Inneren bis zum Kitsch. Auch die in Bronze gegossene und vergoldete Sitzstatue des Königs unter einem mächtigen Baldachin finden wir eher geschmacklos. Allein der grandiose Blick von der obersten Terrasse in die leicht hügelige Landschaft lohnt die Mühe.
Die gut 80 Jahre früher gebaute Anlage für König Minh Mang liegt am Westufer des Parfümflusses und ist eingebettet in eine mit künstlichen Seen gestaltete Parklandschaft. Man schreitet über die auf Plattformen erhaben stehenden zierlichen Gebäude, zuerst zum Pavillon mit der Stele des königlichen Lebensberichtes, dann zum Tempel der „Segensreichen Wohltat“ mit einem tief abgestuften Walmdach. Er diente der Verehrung des Königspaares. Drei Brücken überqueren den See der „Absoluten Helligkeit“, um den Weg zum monumentalen Grabtumulus noch über den „See des Neumondes“ zu führen. Die zierlichen Holzgebäude, der wunderschöne Park und die klare Struktur der Anordnung verleihen der ganzen Anlage etwas ruhig Erhabenes.
Die Weiterfahrt nach Hoi An gestaltet sich diesmal sehr komfortabel. Am Nachmittag holt uns der Shuttlebus des Hotels in Hoi An ab und bringt uns in 2 ½ stündiger Fahrt an unser letztes gemeinsames Ziel, Hoi An.
10. -17. März Hoi An - Da Nang – My Son
Schon beim ersten Eindruck fühlen wir uns bestätigt mit der Wahl Hoi Ans zu unserem Etappenziel, wo wir mit Musse und Verschnaufen die vielen Eindrücke in uns nachwirken lassen können und Kraft tanken vor unserem Rückflug - und für Thomas vor neuen Abenteuern. Die Stadt versprüht geradezu touristische Attraktivität und buntes Leben. Hier kann man viel unternehmen und sich auch nur mal treiben lassen. Leider haben wir bei den interessantesten Hotels jeweils nur noch ein Zimmer buchen können. So gewöhnen wir uns langsam an den Abschied. Und da die Hotels in unmittelbarer Nachbarschaft liegen, gibt es auch keine logistischen Probleme. Am ersten Abend erliegen wir wie in Hue der falschen Entfernungseinschätzung, so dass wir schon rasch von dem Angebot der Hotels Gebrauch machen, sich kostenlos Fahrräder auszuleihen. Auch wenn man als Fahrradfahrer keine hohen Geschwindigkeiten erreicht, ist man jedoch jede Sekunde mit grösster Aufmerksamkeit und Konzentration gefordert, auf den Verkehr zu achten. Denn Verkehrsregeln oder Ampeln gelten nur eingeschränkt und sind oftmals ein untaugliches Mittel, das chaotische Verkehrsgebaren zu lenken. Ausserdem entsprechen die Fahrräder nicht unseren Sicherheitserfordernissen, was Bremsen und Licht anbelangt, von Helmpflicht ganz zu schweigen
Meine jüngste Tochter hat uns nach ihrer Vietnam-Reise vor 3 Jahren Hoi An ans Herz gelegt und auch die Adresse einer Schneiderin gegeben, die wir sogleich aufsuchen. Sie macht einen so kompetenten Eindruck und bietet uns so günstige Preise an, dass wir alle drei mehrere Kleidungsstücke bei ihr in Auftrag geben.
Hoi An ist eine geschichtsträchtige Hafen- und Handelsstadt am Unterlauf des Thu-Bon-Flusses. Im 17. Jhdt. siedelten sich hier chinesische und japanische Handelshäuser an, bevor mit den Portugiesen 1613 die erste europäische Niederlassung gegründet wurde. Die britische East-India Company, die Holländer und Franzosen zogen nach. Bald erlangte Hoi An, das früher Faifo hiess, eine wirtschaftliche Bedeutung, die es zu einem der wichtigsten Häfen in Asien machte. Als im späten 18. Jhdt. der Hafen langsam versandete und sich die Franzosen für Da Nang als Hafen entschieden, verlor Hoi An an Bedeutung. Der Tourismus hat es aus dem Dornröschenschlaf wach geküsst, so dass es heute wie ein Freilichtmuseum wirkt. Natürlich hatten auch andere Touristen (europäische und asiatische halten sich die Waage) die Idee, Hoi An zu erleben, so dass die kleine Altstadt fast vom Rummel erdrückt wird. Nachgerade weil Hoi An im März ein internationales Kochfestival feiert und zu diesem Anlass an Wochenenden die Stadt in fantasievollen Lampions erstrahlt, mischen sich auch viele einheimische Familien in die Massen an der Uferstrasse und am Nachtmarkt. Aber auch hier kann man dem Strom entkommen und ruhigere Plätzchen und weniger überlaufene Restaurants finden. Am Anfang machen wir den Fehler, die besonders empfohlenen Restaurants aufzusuchen und laufen prompt in die Falle, die Wartezeiten, höhere Preise und mässige Küche bedeutet; aber nur am Anfang, dann finden wir schon selbst die Perlen.
Die Bebauung der Altstadt stammt z. grössten Teil aus dem 19. Jhdt. und ist sehr einheitlich. Die Vorderfront der Häuser zeigt repräsentative Holzbalkone und schöne Holzschnitzereien, nach hinten folgen Innenhöfe und ein weiteres Gebäude mit Küche und Schlafzimmern. Als Unesco Weltkulturerbe anerkannt und durch das Geld des Tourismus finanziell in der Lage versetzt, erfreut sich Hoi An auch an einer gepflegten und wundervoll renovierten Bausubstanz. Natürlich sind die meisten Häuser zu Restaurants, Cafes, Andenkenläden, Schneidereien und Konfektionsgeschäften mutiert, aber es gibt darunter auch noch „normale“ Wohnhäuser und die Märkte für die Einheimischen. Am pittoresksten lassen sich die Uferpromenaden am Thu Bon anzuschauen. Touristenmagnet ist die in jedem Reiseführer abgebildete gedeckte japanische Brücke aus dem 16. Jhdt., die einst die japanischen mit den chinesischen Vierteln verband.
Von den chinesischen Kaufleuten sind auch die meisten heute erhaltenen Tempel gebaut worden. Hoi Ans grösster Tempel, 1697 errichtet und mehrfach renoviert, ist Thien Hau, der Schutzgöttin der Seeleute, gewidmet. Ihre Statue thront auf dem Hauptaltar, begleitet von Ihren Helfern Thien Ly Nhan (der 1000 Meilen sieht) und Thuan Phong Nhi (der 1000 Meilen hört). Die beiden ähneln eher Klabautermännern als Schutzgeistern. An einer Seitenwand ist auf einem modernen Relief dargestellt, wie die Göttin einer vom Tsunami bedrohten Dschunke zu Hilfe eilt. Dem Tempel vorgelagert ist die Versammlungshalle der Chinesen aus Fujian. Die Oberhäupter der ersten sechs aus Fujian stammenden Familien werden auf Altären im letzten Raum verehrt. Die ganze Anlage ist eingebettet in einen üppigen Blumengarten, die Gebäude zierlich, die tief ausschwingenden Walmdächer mit fantasievollen Dachfirsten, die von Drachen aus Kachelscherben bekrönt werden, ausgestattet. Der Tempel wäre eine Oase der besinnlichen Ruhe in wunderschönem Ambiente, wenn nicht die Besuchergruppen unentwegt hineinströmten. Auch die in der Nachbarschaft gelegene Versammlungshalle der chinesischen Vereinigungen, die 1741 von Händlern aus Kanton, Hainan und Chaozhou gestiftet wurde, ist der Schutzgöttin Tien Hau geweiht; wem auch sonst? Westliche Stilelemente bereichern die sonst dem vorigen Tempel sehr ähnliche Anlage mit Metallsäulen und schmiedeeisernen Gittern. Der Hauptaltar ist der Tien Hau vorbehalten, während die Seitenaltäre dem für den Reichtum zuständigen Gott Thant Tai und der Quan Am, der Göttin der Barmherzigkeit, gewidmet sind. Wie im vorher beschriebenen Tempel steht rechts vom Altar das grosse Modell einer Dschunke, die die Meeresgöttin gerettet haben soll. Die mittägliche Hitze lässt es angeraten sein, sich erst einmal im Schatten einer Kneipe zu erfrischen und dann schon mal ans Mittagessen zu denken.
Apropos Essen. Von meiner Tochter wissen wir, dass das traditionelle Gericht von Hoi An "Cao Lau" heisst, besondere Reisnudeln mit Schweinefleisch und Reiskräckern, nur hier angeboten wird. Mehrere Tage waren wir auf der Suche nach dem besten „Cao Lau“, weil wir zunächst nicht die Begeisterung für dieses Gericht nachempfinden konnten. Erst am letzten Tag fanden wir das "Cao Lau" mit der besten Soße, gar nicht weit von unseren Hotels, in einem unscheinbaren Kneipchen.
Die Suche nach "Cao Lau" verleitet uns auch zu kleinen Radtouren auf Inseln im Thu-Bon-Fluss, wo wir eine üppige Flusslandschaft vorfanden und allenthalben fleissige Menschen, die ihren bescheidenen Wohlstand zu mehren trachteten und keinen Dreck oder Abfall in ihrer Umgebung duldeten.
Hoi An ca. 4 km vorgelagert ist ein endloser Strand, der sich bis Da Nang erstreckt. Obwohl immer mehr Hotelkomplexe und Resorts den Strand verbauen, finden sich doch kleine „freie“ Abschnitte mit kleinen einheimischen Restaurants, die zum angenehmen Verbleib einladen. Wenn die Sonne lockte, zog es uns auch mal an den Strand. Auch wenn sich die Wogen des südchinesischen Meeres am Strand mächtig auftürmten, gab es doch Gelegenheit, in dem relativ warmen Wasser zu plantschen und das Meeresrauschen zu geniessen, eben Sommer im ausgehenden Winter zu erleben.
Die Tage in Hoi An gaben uns auch Gelegenheit, uns mit der interessanten Cham-Kultur zu beschäftigen. Dieses Volk, das als Minderheit heute im Mekongdelta lebt, hat vom 4. bis zum 15. Jhdt. Mittel-Vietnam beherrscht und geprägt. Einige Ruinen und Funde, Dank sei den französischen Archäologen, zeugen von einer hohen Kultur, die unabhängig vom Khmer-Reich im Westen und von chinesischen Einflüssen aus dem Norden die hinduistischen Mythen eigenständig und eigenwillig adaptiert hat. Einen ersten Eindruck von dieser aussergewöhnlichen Kultur bekamen Thomas und ich bei einem Besuch des Cham-Museums in Da Nang. Wir haben uns mit einem Pkw des Hotels bequem dahin fahren lassen, während Katrin noch einige Entdeckungen in Hoi An machen wollte. Das Museum haben die Franzosen für ihre Forschungen und Funde errichten lassen. Heute ist es der ganze Stolz Da Nangs. In der Tat sind dort einige aussergewöhnliche Kostbarkeiten präsentiert: Reliefs mit tanzenden Shiva-Figuren von höchster Feinheit und künstlerischer Qualität und mit grazilen Apsara-Tänzerinnen, Ganesha als Stand- und als Sitz-Skulptur, Altaraufsätze, die von stilisierten weiblichen Brüsten wie eine Perlenschnur umwunden sind, u.a.m. Ueberhaupt haben die Cham auffallend viele weiblichen Gottheiten, was die französischen Archäologen auf Reste einer matrilinearen Gesellschaftsform schliessen liess. Einige Modelle der Ausgrabungsstätten gaben uns eine anschauliche Vorstellung von den gewaltigen Anlagen, bevor wir dann selbst einen Ausflug zu dem ehemaligen religiösen Zentrum des Cham-Staates, My Son, unternahmen. Ansonsten bleibt die aufstrebende Stadt Da Nang mit über 1 Million Einwohner gesichtslos.
Thomas hatte den Vorschlag, uns schon um 6 Uhr 30 mit dem Auto in das 55 km entfernte My Son fahren zu lassen, bevor die Besucherströme einfallen. Welch gute Idee! So konnten wir die Ruinen, die in einer atemberaubenden Landschaft liegen, alleine, nur vom Vogelgezwitscher aus dem Urwald begleitet, erleben. Die kümmerlichen Reste sind eindrucksvoll genug, um sich ein vages Bild von der Kultstätte der Cham zu machen. Sie waren offenbar Meister des Ziegelbaus, der sich auch über das Jahrtausend gut erhalten hat. Lediglich für Türstürze, Säulen, Skulpturen und Reliefs verwendeten sie Sandstein, dann aber in erlesener Steinmetzarbeit. Die Struktur der Heiligtümer ist einfach zu erfassen, eine zentrale Zeremonialhalle wird flankiert von Bibliotheken und Schreinen für untergeordnete Götter. Die wunderschönen Verzierungen sind stark verwittert, aber immer noch eindrucksvoll. Empörend sind die Zerstörungen, die die Amerikaner während des Vietnamkrieges angerichtet haben. Gut zwei Drittel der Anlagen sind durch Bombardements und Hubschrauberangriffe völlig vernichtet. Es tut uns wohl, durch Inschriften zu erfahren, dass sich eine eigens für diesen Zweck gegründete Gesellschaft aus Stuttgart, gesponsert von Würth und Daimler, für die Erhaltung und Restauration des Heiligtums engagiert. Bevor wir uns gänzlich satt gesehen haben, brandet auch schon die erste Welle der Besucher in Form von Schülermassen in das Gelände. Bald folgen die geführten Gruppen, wir können uns getrost und erfüllt von den Eindrücken zurückziehen.
17. - 19. März Wiedersehen mit Ho Chi Minh City
Für die fast 900 km Distanz zwischen Hoi An und HCMC wählten wir in Anbetracht der knappen verbleibenden Zeit wieder einen Flug, diesmal die Billigvariante von Vietnam Airlines, Jetstar Pacific. Und wie es Billigflieger auch in Asien an sich haben, die Flugzeiten sind nicht verlässlich. So hatte unser Flieger beträchtliche Verspätung mit zwei Konsequenzen; einer angenehmen, dass wir den Donnerstag noch bis zum Abend Hoi An genießen konnten. Unser Hotel bot uns sowohl einen "late Check-Out" als auch die Möglichkeit, dass wir die Zeit bis zum Abend am Hotelpool verbringen konnten. Diese Gelegenheit nahmen wir diese Gelegenheit entspannt und dankend an. Katrin und ich radelten am Vormittag sogar noch einmal an den Strand, um vom südchinesischen Meer Abschied zu nehmen, und zu Dritt genossen wir noch einmal die gute Küche in einem der schönsten Lokale Hoi Ans, "Mamas Garden Restaurant". Die negative Seite: wir trafen erst um 02 Uhr am Freitag in HCMC ein. Nach über 2 ½ Monaten gemeinsamer Reise fiel uns der Abschied schwer. Thomas strebte mit dem Taxi zu seinen Freunden, Katrin und ich mussten unsanft den Nachtportier unseres Hotels wecken, bis wir völlig übermüdet in die Betten sanken.
Gegen Mittag wurden wir von dem brausenden Stadtlärm geweckt. Erst jetzt nahmen wir so richtig wahr, was für ein tolles Zimmer wir im Hotel „Dragon Palace“ gebucht hatten. Vom 8. Stock hatten wir einen fantastischen Blick nach Norden und Osten über dem Park zwischen der Pham Ngu Lao und der Le Lai Strasse, direkt auf eine der belebtesten Kreuzungen Saigons, Pham Ngu Lao, Nguyen Thai Hoc. Welch ein Schauspiel! Das belebte Altstadtviertel um unser Hotel herum begrüßten wir wie eine alte Bekannte. Wir erfreuten uns des guten Essens in unserem Lieblingsrestaurant. Der um uns herum brandende Verkehr, der uns bei der Ankunft im Januar geängstigt hatte, kam uns jetzt seltsam vertraut vor.
Für den Abschied von dieser interessanten Stadt haben wir uns ein paar Rosinen herausgepickt: Mit dem Taxi zur Hauptpost, einem Prachtexemplar französischer Kolonialarchitektur, direkt gegenüber der trögen neoromanischen Kathedrale „Notre Dame“. Eine von im Jugendstil verzierten Eisenträgern gestützte riesige Tonnendecke überspannt den repräsentativen Raum der Hauptpost. Grüßte nicht Onkel Ho von Der Wand, man könnte glatt glauben, man befände sich in Paris. Wir schlendern die Dong Khoi entlang, die ehemalige Rue Catinat, vorbei am Hotel Continental, in dem der Roman „Der stille Amerikaner“ von Graham Greene spielt, amüsieren uns, dass die im Roman wichtige Bar „Continental Shelf“ heute „Restaurant Bourgeois“ (und das im sozialistischen Vietnam) heißt. Vor der Oper genießen herausgeputzte Besucher die letzten Sonnenstrahlen. Wir müssen uns sputen, um in der Roof Top Bar des Hotels Caravelle den Sonnenuntergang über den Dächern von Saigon zu erleben. Der Blick ist atemberaubend, die Cocktails originell, neu und wohlschmeckend. Was für ein Finale in dieser Stadt! Wir beobachten, wie schnell die tropische Nacht die kurze Dämmerungsphase wegschiebt und den dunklen Hintergrund für das Lichtermeer des modernen Ho Chi Minh City liefert. Großartig, und unten rauscht der nimmer ruhende Verkehr. Es gehört zum Abschied, dass wir auch dem Hotel Majestic und dem Saigon Fluss Lebewohl sagen. Nach den mannigfaltigen Erfahrungen mit dem chaotischen Verkehr traut sich Katrin diesmal, die belebte Uferstraße Ton Doc Than zwischen Auto- und Mofa-Lawinen hindurch zu überqueren. Vom Ufer des Saigon Flusses hat man einen großartigen Blick auf die Fassade des „Majestic“ und den Bitexco Financial Tower, auf das koloniale und das moderne Saigon. Aus "luftiger Höhe" werden wir am Fenster unseres Hotelzimmers Zeuge einer Aufführung einer Revolutionesoper in dem Freilichttheater an der Kreuzung Pham Ngu Lao, Nguyen Thai Hoc. Es hört sich an und sieht aus wie die Stücke aus der chinesischen Kulturrevolution. Wir sind erleichtert, als sich die für unsere Ohren eintönig-unmelodiöse Musik und das martialische Geschehen auf der Bühne dem Ende zuneigt. Für Überraschung sorgt noch, dass kaum 50 Besucher - vielleicht ausgesuchte Parteikader - die technisch aufwendig und mit vielen Schauspielern inszenierte Veranstaltung verlassen. Selbst wenn das heute nur die Generalprobe war, wirft die geringe Zahl doch ein Licht auf das Interesse an solchen Veranstaltungen. Die sozialistische Staatskultur ein aufwendiges Event ohne Attraktivität für die Masse. Die interessiert sich eher für Smartphone und Kapitalismus.
Heute, 19. März, heißt es endgültig Abschied nehmen. Der Flieger wird uns heute Abend in einer langwierigen Rückreise nach Frankfurt bringen. Wie schön, dass wir Thomas noch einmal zum gemeinsamen Mittagessen treffen und seine Tochter Viktoria, die als Vorhut der Restfamilie schon in HCMC eingetroffen ist. Wir wünschen Thomas und seiner Familie interessante 2 Wochen in Vietnam.